Beobachtungen
Planetarischer Nebel mit 1,12 m Öffnung
Peter Riepe und Daniel Restemeier
Das Newton-Teleskop der Sternwarte Melle mit
einer Öffnung von 1,12 m und 4,40 m Primärbrennweite hat uns im wahrsten Sinne
des Wortes neue Sichtweisen eröffnet. Während des EXPO-Betriebes zwischen Juni
und Oktober 2000, als der Führungsbetrieb Vorrang hatte, konnten über 6000
Besucher das Weltall "Live" erleben. An Astrofotografie war nicht zu
denken, stattdessen gewann die visuelle Deep-Sky-Beobachtung enorm an
Attrakivität - und das färbte auf uns ab. Warum? Das Teleskop erlaubt dank
seiner enormen Lichtfülle beeindruckende Blicke auf Galaxien, Sternhaufen und
Nebel. Nicht nur dass die Objekte sehr hell und kontrastreich wirken, einige
erscheinen auch deutlich in Farbe. Zudem sind schwächste Sterne im Bildfeld,
die man nur mit dieser Öffnung so sehen kann.
Für die Beobachtung stehen vier 2-Zoll-Weitwinkelokulare zur Verfügung (siehe
Tabelle). Geht man davon aus, dass die sinnvolle Maximalvergrößerung dem
Optikdurchmesser in Millimetern entspricht, dann ist selbst unsere höchste
Vergrößerung noch moderat.
f/mm |
Vergrößerung |
AP/mm |
28 |
157× |
7,1 |
14 |
314× |
3,6 |
7 |
628× |
1,8 |
5,2 |
846× |
1,3 |
Nach einer Modellvorstellung bildet
turbulente Luft eine Unmenge wandernder Zonen mit unterschiedlichem
Brechungsindex. Dadurch wird die Wellenfront eines einfallenden parallelen
Lichtbündels beim Durchgang durch die Atmosphäre regelrecht verbogen mit
ständig wechselnder Form. Fällt dieses zu jeder Sekunde anders verformte
Strahlenbündel ins Teleskop, so weicht der beobachtete Stern permanent vom
auflösungsbegrenzten Beugungsscheibchen ab. Angenommen, die Verbiegungen der
Wellenfront spielen sich im Bereich von 100 mm ab, dann bemerkt ein
100-mm-Teleskop nur eine solche Störstelle unmittelbar vor sich. Das heißt:
Jeder im Gesichtsfeld befindliche Stern erfährt lediglich eine vom Betrag her
gleiche Ortsveränderung. Anders ausgedrückt: Kleine Teleskope zeigen
überwiegend das typische Hin- und Herspringen der Sterne. Wie aber wirkt sich
das Seeing bei einem Teleskop der Meterklasse aus? In der Tat ist unser Teleskop
mit seinem großen Spiegeldurchmesser viel anfälliger gegen Luftturbulenzen als
ein kleines Fernrohr. Wenn das Sternenlicht durch die Öffnung von 1,12 m
einfällt, so liegen stets etwa 125 störende Wellenfrontverbiegungen im
Einfallsquerschnitt. Jede individuelle Störung bewirkt ihre individuelle
Ortsversetzung des Sternchens, in der Summe jedoch ergibt sich ein verbreitertes
Gesamtscheibchen. Ein großes Teleskop zeigt bei schlechtem Seeing also keine
tänzelnden Sternchen, die Sternabbilder werden sozusagen fortwährend auf eine
breitere Fläche verschmiert. Das bedeutet, dass mit einer Öffnung von 1,12 m
nur dann die wahren Leistungen erreicht werden können, wenn das Seeing
exzellent ist!
Zurück zu den Vergrößerungen. Die kleinste ist die Idealvergrößerung, denn
dem menschlichen Auge mit seinem maximalen Pupillendurchmesser um 7 mm wird auf
diese Weise das komplette, vom Teleskop gesammelte Licht zugeführt. Zwar
ergäbe ein längerbrennweitigeres Okular (z.B. 40 mm) bei einer Vergrößerung
von 110× eine Austrittspupille von 10,2 mm. Hiervon könnte aber die Pupille
des Beobachters mit ihren 7 mm nur etwa 50% nutzen. Selbst bei 846-facher
Vergrößerung liegt die Austrittspupille am 1,12-m-Teleskop noch bei 1,3 mm -
so, als würde mit einem 6-Zöller bei 115-facher Vergrößerung beobachtet.
Rechnerisch hätte man es sich schon lange klarmachen können, doch erst im
Laufe der Zeit wurde uns beim praktischen Beobachten bewusst, dass eine große
Austrittspupille bei relativ hoher Vergrößerung die Beobachtung kleiner
Deep-Sky-Objekte unglaublich voranbringt. Unsere "bevorzugten
Lieblinge" sind zweifelsohne die Planetarischen Nebel.
Donnerstag der 15. Februar 2001 war ein Tag, an dem die Bedingungen für
teleskopische Beobachtungen außerdordentlich gut waren. Eine ausklingende
Hochdrucklage sorgte tagsüber für sehr große Transparenz. Das Wetter war
tagsüber mild gewesen, die Temperaturen von 12°C gingen am Abend sachte
abwärts. Bei Windstille blieb es recht lange angenehm, bis gegen 1 Uhr leichter
Frost einsetzte. In der Stunde vor Mitternacht war NGC 2392, der bekannte
Eskimo-Nebel, unser Wunschobjekt. Nach älteren Beobachtungen mit 10 Zoll
Öffnung erwarteten wir jetzt einiges mehr. Eines muss vorweg schon klargestellt
werden: Die bekannte Hubble-Aufnahme mit ihren feinen, strahlenartigen
Filamenten ist keinesfalls mit dem vergleichbar, was wir per Auge am Teleskop
wahrnehmen konnten. Auch die im Burnham abgebildeten Fotografien eines
kapuzenumringten Gesichtes stimmten nicht mit dem teleskopischen Anblick
überein. Wir sahen eine scharf begrenzte, hell leuchtende und kreisrunde
Fläche, die zur Mitte hin leicht dunkler wurde, in dieser Dunkezone allerdings
mehr Helligkeit aufwies als erwartet. Insofern konnte man einen sich schwach
abhebenden äußeren Ring definieren. Dieser erschien auf seinem Umfang nicht
gleichförmig homogen, er war im Norden etwas heller. Im leicht dunkleren
Zentralgebiet zeichnete sich deutlich ein wesentlich hellerer, leicht verbogener
Nebelring ab. Seine Form erschien uns als wappenförmig, ebenfalls mit leicht
dunklem Zentrum, in dem der helle Zentralstern von etwa 10 mag strahlte. Bei
sehr gutem Seeing hielten wir dieses phantastische Objekt zeichnerisch im Bild
fest, jeder etwa eine Viertelstunde lang. Als Amateure, die heute ihre erste
gemeinsame Beobachtung durchführten, interessierte uns besonders, ob sich
unsere Bilder insgesamt ähnelten oder zumindest gleiche Details aufwiesen. Was
bei diesem Vergleich herauskam, zeigt die Abb.1a,b.
Abb.1a:
NGC 2392, am 15.02.2001 zwischen 23.05 und 23.20 Uhr ohne Filter beobachtet von
Daniel Restemeier am 1,12-m-Teleskop der Sternwarte Melle bei 628-facher
Vergrößerung und Seeing 1-2.
Abb.1b:
NGC 2392, am 15.02.2001 zwischen 23.20 und 23.35 Uhr ohne Filter beobachtet von
Peter Riepe am 1,12-m-Teleskop der Sternwarte Melle bei 628-facher
Vergrößerung und Seeing 1-2.
Verblüffend, dass wir wesentliche Feinstrukturen etwa gleich gut wahrgenommen
hatten, so z.B. die feine Verästelung im südlichen Teil des zentralen
Nebelringes. Die Dunkelheit des zentralen Flächenbereichs wurde zeichnerisch
unterschiedlich wiedergegeben, was aber sicherlich auch eine Frage des
dargestellten Kontrastes ist. Wie kann, darf, soll, muss der Kontrast
wiedergegeben werden? Vielleicht können einige versierte Zeichner dazu Stellung
beziehen?
Ein Vergleich mit M 57 drängte sich auf.
Sowohl der Eskimo-Nebel als auch der Ringnebel in der Leier zeigen auf
Fotografien eine andere Intensitätsverteilung als das Auge sie teleskopisch
registriert. M 57 besteht fotografisch im wesentlichen aus dem bekannten hellen
Ring, der eine dunkle Zentralhöhle umgibt. Das Auge jedoch erkennt an einem
Teleskop großer Öffnung jedoch, dass diese Zentralhöhle nicht schwarz ist,
sondern kräftig leuchtet, dass hier also Gase im sichtbaren Spektralbereich
recht viel Licht emittieren. Ein panchromatischer Schwarzweißfilm, dessen
Sensibilisierung für rotes Licht viel höher ist als für blaugrünes, nimmt
überwiegend das Ha-Licht der äußeren Nebelzone wahr, also den Ring. Die
starke [OIII]-Strahlung der Nebelmitte wird aber viel schwächer registriert. So
kommt die innere Dunkelhöhle zustande, die auf langbelichteten Farbaufnahmen
bläulich oder blaugrün erscheint. Visuell ist die Erscheinung von M 57
durchaus vergleichbar mit einer Scheibe, die innen eine leichte zentrale
Abdunkelung aufweist, keinesfalls eine schwarze Höhle. Und so ist es auch beim
Eskimo-Nebel. Die von verschiedenen Beobachtern wiedergegebene dunkle Teilung
zwischen Gesicht und Kapuze und erst recht verschiedener Kapuzenteile ist
unserer Meinung nach schlichtweg überbetont.
Die gute Horizonttransparenz war für die
Beobachtung des nachfolgenden Objektes ausschlaggebend. Gegen kurz nach 1 Uhr
kulminierte die Hydra, das Sternbild, in dem "Jupiters Geist" zu
finden ist - der Planetarische Nebel NGC 3242. Der Blick in "The Sky"
ermutigte. Immerhin lag das Objekt 15° über den Wipfeln des Tannenwaldes, der
sich im Süden leicht über den Horizont erhebt. Über "Autoslew" -
die Computersteuerung von Philipp Keller - war der PN sofort im Blickfeld. Er
wirkte überraschend brilliant. Da das gute Seeing anhielt, war sogar die
628-fache Vergrößerung noch sinnvoll, selbst bei so großer Zenitdistanz. Der
visuelle Anblick erinnerte ziemlich stark an den Eskimo-Nebel. Nicht nur dass
die Nebelfläche etwa gleichgroß war, sie wirkte ebenfalls deutlich begrenzt,
jedoch nicht ganz so scharf. Der südöstliche Nebelrand war ein wenig dunkler,
insgesamt hatte der PN eine leicht elliptische Form. Auch NGC 3242 wies in der
Mitte einen hellen Nebelring auf. Dieser hatte klar die Umrisse eines Auges und
war im Verhältnis zum Nebelring des Eskimo-Nebels ausgedehnter. Der
Zentralstern saß mitten in diesem Ring, in einer etwas dunkleren Zone. Er
erschien immer noch sehr deutlich, aber doch ein wenig schwächer als der
Zentralstern von NGC 2392. Also, schnell noch einmal den Bleistift aktiviert und
die wesentlichen Eindrücke skizziert (Abb.2), mit kurzen Notizen zu
Objektdetails, Form und Helligkeitsverteilung!
Abb.2:
NGC 3242, Beobachtung von Peter Riepe zwischen 1.10 und 1.25 Uhr MEZ. Weitere
Daten wie bei Abb.1.
Planetarische Nebel mit 1,12 m Öffnung.
Das bedeutet für die beiden hier gezeichneten hellen Objekte
"Farbsehen". Ähnliches konnten wir im vergangenen Herbst auch an NGC
7662 und NGC 6543 eindeutig beobachten. Die Farbgebung wirkte mit großer
Austrittspupille am intensivsten, immer lag sie im Bereich türkis. NGC 7662
erschien etwas bläulicher, während NGC 6543 mehr zu grün tendierte. Aber der
Farbvergleich ist nicht ganz einfach. Messen geht nicht, und eine relative
Aussage ist nur dann verlässlich, wenn die zu vergleichenden Objekte zusammen
im Bildfeld stehen. Eine theoretische Angabe ließe sich allenfalls aus dem
Intensitätsverhältnis der Emissionslinien ableiten, wenn man diese hätte.
Wenn mehr Erfahrungen über die Farbigkeit der Deep-Sky-Objekte vorliegen,
werden wir sicherlich einen gezielten Bericht dazu verfassen.
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erschienen in:
interstellarum 17 Seite 14f