Eine Nacht in der Rhön


Vor etwa zwei Jahren, am längsten Tag des Jahres, war ich mit meiner Freundin in die Rhön eingeladen, um bei einer Hochzeit in ihrer Verwandtschaft teilzunehmen. Die abendliche Feier fand in der "Sennhütte" , am nördl. Rand des Hochrhönplateaus auf über 780m gelegen, statt. Eine wirklich geile Feier, trotzdem ließ ich es mir natürlich nicht nehmen auf dem Parkplatz des Hauses den Himmel zu testen. Obwohl die Mitternachtsdämmerung im Norden unübersehbar war, war alles südlich des Zenits beeindruckend dunkel. Die zenitnahe Milchstrasse kam super, wie in wirklich guten Nächten in meiner Gegend. Ich war echt baff! Da Richtung Süden die erste nennenswerte Bebauung etwa 20km (weil Naturschutzgebiet) entfernt liegt, erlebte ich eine so noch nie gesehene Milchstrasse im Schützen.
DER Eindruck hat sich ins Gedächtnis eingebrannt!

Nun also wieder in die Rhön. Geplant war diesmal eine Übernachtung in der Sennhütte, für die wir einen Gutschein geschenkt bekommen hatten. Da wir (also meine Freundin und ich) in erster Linie einfach nur mal zwei Tage was anderes sehen wollten, war mein Astroprogramm zweitrangig. So nahm ich "nur" meinen 4,5" Newton, quasi als Beigepäck mit. Natürlich hatte ich trotzdem einen genauen Plan, was ich in dieser einen Nacht so alles machen wollte, wusste ich doch schon von Zuhause, dass "der Kleine" gerade bei grossflächigen Objekten erstaunliche Stärken offenbarte.
Reichlich spät angekommen wurde erst einmal das Zimmer beschlagnahmt. Die Besitzerin des Hotels zeigte sofort vollstes Verständnis für mein Hobby, zeigte mir einen Nebeneingang, von dem aus das Zimmer des Nachts problemlos zu erreichen war. Einen Haustürschlüssel bekommt hier eh jeder Gast. Somit war die Location absolut astrotauglich! ;-)
Schnell wurde klar, dass alles südlich der Sennhütte (Naturschutzgebiet, etwa 4x12km) zum nächtlichen Verweilen reichlich ungeeignet ist, da hier das befahren der Seitenwege (abgehend von der "Hochrhönstrasse", welche das geschützte Gebiet auf diesem Hochplateau von Nord nach Süd durchläuft) und sogar das Anhalten an der Hauptstrasse strengstens verboten ist. Wer die Natur dieser Landschaft erlebt hat wird diese scharfe Regelung schnell verstehen.
Trotzdem fand sich schnell ein Plätzchen, auf einer Kuppe auf 880m gelegen, welches vor Fremdlicht geschützt war und dennoch eine quasi perfekte Horizontsicht in alle Richtungen erlaubte.

Passend zur Dämmerung fand ich mich wieder am Platz ein, nachdem ich meine Freundin vor dem Fernseher unseres Zimmers positioniert hatte. Schnell wurde klar, dass der Himmel sehr gut werden muss. Gut gelaunt wurde locker weg aufgebaut, immer ein Auge zum stetig dunkler werdenden Himmel gerichtet. Aber selbst auf fast 900m Höhe konnte ich dem an diesem Tag recht starken Dunst im Tal nicht wirklich entfliehen, was sich vor allem dadurch äußerte, dass selbst die kleinen Ortschaften im weiteren Umland "relativ" grosse Lichtglocken produzierten. So bin ich mir absolut sicher, dass die von mir zu etwa 6,7mag geschätzte Grenzgrösse eher zu den mittelprächtigeren Nächten hier am Platz gehörte... in wirklich klaren Nächten könnte die magische 7mag Grenze in greifbare Nähe rücken! Trotzdem war das mit die beste Nacht, die ich bisher erleben konnte und so konnte dieser Umstand mein innerliches, breites Grinsen nicht wirklich gefährden. Im Gegenteil, das Gesamterlebnis machte diese Nachte für mich zur Nacht der Nächte schlechthin!!

Da der Schütze gegen Dämmerungsende leider schon recht tief stand, wurde hier als erstes draufgehalten. Dank der freien Horizontsicht, ohne wirklich störende Lichtverschmutzung, haute mich gleich der erste Anblick an diesem Abend vom Hocker...


Lagunen- und Trifidnebel mit 3.3° Gesichtsfeld und [OIII] Filter, das passt einfach!
Der Lagunennebel (M 8, oben) zeigte sofort diverse Helligkeitsnuancen im elliptisch wirkenden "Grundkörper", welcher durch einen spiralförmig verlaufenden Dunkelnebel in verschieden helle Gebiete aufgeteilt wurde. Ganz besonders hell war dabei ein kleiner "Spot" westlich des hellsten Sterns im Nebel, welcher zwar sehr kompakt, aber dennoch zweifelsfrei flächig erschien. Erst auf den zweiten Blick wurde ein sehr schwacher Bogen, östlich des Hauptnebels sichtbar. Der im Nebel eingelagerte Sternhaufen fiel mit NF natürlich nicht besonders auf, es waren nur 4 schwächliche Sternchen erkennbar.
Der Trifidnebel (M 20, mitte) war zwar sehr deutlich, offenbarte aber bei dieser schwachen Vergrösserung keine weiteren Details, ausser, dass der ansonsten runde Nebel nach Norden etwas ausgedehnter schien.
Schon beim Einstellen dieses Gebietes mit Nebelfilter fiel mit ein dritter Nebel auf, den ich eigentlich nicht erwartete.
Es war M 21 (unten), ein offener Sternhaufen. Drei Sterne vor nebl. Hintergrund (unaufgelöste Sterne), mehr war nicht drin.


Das nächste Feld: Schwan- und Adlernebel.
Phantastisch, wie klar und hell Hals und Körper des Schwans (M 17, mitte) aus dem umgebenden Nebel hervorsticht! Direkt unter dem Körper (also nördlich) schliesst ein Dunkelgebiet im starken Kontrast an, welches von "schwachem" Nebel umschlossen wird. Dieser schwache (nur im Vergleich zum eigentlichen Schwan!) Nebel verdoppelt die Grösse von M 17 nach Norden und Osten und zeigt subtile Helligkeitsveränderungen.
Der Adlernebel (M 16, unten) schien deutlich schwächer als M 17, aber immer noch absolut einfach. Selbst bei dieser schwachen Vergrösserung waren der Kopf und die beiden Schwingen des Adler erkennbar! Nur der Unterleib des gedachten Adlers war unförmig und lief diffus in die Nacht aus. Dagegen war die Grenze des Nebels zum Himmel zw. dem Kopf und der westlichen Schwinge recht scharf begrenzt, hier liegt wohl ein Dunkelnebel im Vordergrund. Generell schien der Nebel Richtung Nordosten kontinuierlich heller zu werden...
Und wieder ein ungeplantes Objekt: M 18 (oben), ein kompakter OH schlich sich mit in die Zeichnung ein. Fünf schwache Sterne im Dreieck angeordnet vor neblig, unaufgelösten Hintergrundsternen... langweilig im Vergleich zum Rest dieses beeindruckenden Feldes, aber trotzdem auffällig.


Ganz beiläufig, beim Nachführen des Scopes, entdeckte ich östlich M 17/M 18 (s.o.) einen schwachen Nebelblob, weiter südöstlich einen hellen OH. Die nächste (diesmal komplett ungeplante) Zeichnung wurde aufs Papier gezirkelt. M 25 (oben) war absolut aufgelöst und bestand aus etwa 15-20 durchaus hellen, locker verteilten Sternen, während NGC 6645 (unten) zwar auch ein Offener Sternhaufen ist, aber ein komplett anderes Erscheinungsbild offenbarte. Viele, durchweg schwache Sterne vor nebl. Hintergrund (unaufgelöste Sterne) verliehen diesem Objekt einen "grieseligen" Charakter. Ein sehr gegensätzliches Paar ansonsten gleicher Natur... interessant! :-)
Diese Zeichnung kann man sich direkt rechts neben die M 16/17/18 Zeichnung anschliessend vorstellen, alles in allem eine wirklich abwechslungsreiche Region für Geräte mit grossem Gesichtsfeld.

Uff, Pause.

Leichter Ostwind, aber kalt ist mir trotz Höhenluft wirklich nicht.
Zeichnen ist anstrengend. Besonders, wenn man dafür einige Stunden Fahrt auf sich nehmen muss. Trotzdem entschädigt dieser phantastische Himmel für alle Anstrengungen. Die Milchstrasse kommt freisichtig brillant, wild strukturiert. Nordamerikanebel mit vorgehaltenem UHC Filter. M 33 ist mit 1x Vergr. auch kein Problem, habe ich aber auch nicht anders erwartet (hüstel)!
Trotzdem merke ich die Strapazen, meine persönliche Grenzgrösse sinkt leicht. Macht aber nichts, gucke ich jetzt halt mehr Richtung Zenit und gleiche so das leicht matschige Gehirn aus.


Cirrusnebel: tja, schaut euch die Zeichnung an. Ich hoffe, dass ich mir so die vielen Worte, die dieses phantastische Objekt trotzdem nur unzulänglich beschreiben könnten ersparen kann... Jetzt vermisse ich doch meinen daheimgebliebenen 10"er! Mit 4,5" ist es wirklich Augenquälerei die subtilen, aber immer wieder "aufblitzenden" Details in den Bögen zu fassen und aufs Papier zu bannen. Obwohl... mit 10" hätte ich vermutlich ob der Detailflut sofort aufgegeben...




Zuhause hatte ich den Nordamerika-/Pelikannebel Komplex unter einem 6,3mag Himmel gezeichnet. Allerdings war ich mit der Ausbeute nur bedingt zufrieden, also kramte ich die "Rohskizze" wieder raus und verfeinerte diese.
0,3mag mehr Grenzgrösse hört sich nicht wirklich viel an, ist es aber!
Natürlich erschienen beide Nebel heller, weiterhin tauchten jetzt aber auch neue Nebelfetzen auf und weitere Strukturen in den beiden ursprünglich gezeichneten Nebeln wurden gut greifbar. Hier scheint meine Teleskop/Himmel/Filter-Kombination zu wahrer Höchstform aufzutrumpfen...geil...viele Strukturen (sabber, geifer)...watt für´n Anblick...GEIL!
Ob ich das nur annähernd so beeindruckend mit meinen Zeichnungen rüberbringen kann? Ehrlich gesagt: ich glaube nicht. :-(


Die Wintersternbilder stehen schon im Osten, die Mondsichel quält sich mit den Zwillingen durch den Dunst. Eigentlich würde ich gerne noch ein bisschen machen, aber der Mond ist ein guter Grund so langsam den Heimweg Richtung Hotel anzutreten, immerhin habe ich morgen einen anstrengenden Tag vor mir.

Voller Eindrücke und Ideen schleiche ich über die Landstrasse. Jetzt ein Wildunfall, nein danke! Nach wenigen Minuten erreiche ich das fluffige Bett, einschlafen kann ich noch lange nicht...
Am nächsten Tag, nach vielleicht 4 Stunden Schlaf, stand dann die Sightseeing-Tour (der eigentliche Grund der Fahrt! ;-)) durch die Hochrhönlandschaft an. Selbst wenn die Nacht schlechter gewesen wäre, hätten doch die zahlreichen Sehenswürdigkeiten dieser sehr speziellen Landschaft diesen Kurztrip vollauf gerechtfertigt.

Kurz: eine wirklich runde Sache!


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erschienen in:
NightSky 1/2006, Seite 23ff