Zwei Nächte Superthin-Galaxien


Das Traumhoch im April bescherte mir die schönste Astrowoche seit Jahren mit ausnahmslos sehr klaren Nächten. Nachdem die ersten Nächte Planetarische Nebel und extragalaktische Highlights wie Messier 51 und Messier 82 (Bericht kommt noch) auf der Agenda standen, hatte mich mein Sternfreund Mathias für die letzten beiden Nächte dieser Neumondphase auf eine schöne Idee gebracht. 
Nach der Fertigstellung meines 16"ers vor zwei Jahren sind für mich Planetarische Nebel das Non plus ultra und begeistern mich jedes Mal aufs Neue. Aber im Frühjahr finden sich nur sehr wenige Exemplare und ein wenig Abwechslung, vielleicht einfach mal etwas ganz anderes, kann auch nicht schaden. 
Mathias wollte NGC 5023, eine superdünne Galaxie im Sternbild Jagdhunde, mit 16" eingestellt haben. Der Begriff  "Superdünne Galaxie" hat sich für Edge-On Galaxien ab einem (wohl willkürlich gewählten) Achsverhältnis von 7:1 eingebürgert. 
Der Anblick dieses schlanken im Raum schwebenden Lichtstreifs, eigentlich einer riesigen Galaxie in Kantenlage, faszinierte uns und weckte Erinnerungen an IC 2233, die ich vor Jahren mit 10" gesehen und gezeichnet hatte. Für die kommenden Nächte war klar, dass ich mich weiter mit dieser besonderen Perspektive auf Galaxien beschäftigen wollte!
Genau so klar war auch, dass ich kein Neuland betreten musste, ich wollte mich einfach nur im Okular verlieren. Deswegen stöberte ich einfach ein wenig im Superthin-Projekt von Uwe Glahn und lies mich in meiner Objektwahl der Highlights des Frühjahrshimmels von seinen Beschreibungen und Zeichnungen leiten. Auf meiner Wunschliste standen schnell 11 Kandidaten und das ausdrucken der Aufsuchkarten war der Zeitvertreib bis zur Abfahrt zum Beobachtungsplatz.

Die 6. Nacht in Folge bricht herein....

Zur Auflage machte ich mir, alle Galaxien mit 200x Vergrößerung zu beobachten, um einen direkten Vergleich untereinander zu ermöglichen. Zwar wären für manche Galaxien etwas mehr oder bei den lichtschwachen Vertretern etwas weniger Vergrößerung sinnvoll gewesen, aber im Nachhinein stellte sich eine Austrittspupille von 2mm als sehr universell heraus - Glück gehabt ;-)
Da sich einige Ziele nach Ende der Dämmerung schon wieder zusehends dem Westhorizont näherten, war in beiden Nächten jeweils in der ersten Nachthälfte ein straffes Programm angesagt. Schnell stellte sich heraus, dass auch wirklich zwei Touren nötig waren, um nun nicht in Konflikt mit der knappen Zeit für diese "Problemfälle" zu geraten. 


Mein erstes Ziel suchte ich gegen Ende der Dämmerung auf. Nach Jahren stattete ich also wieder einmal IC 2233 (Daten) im Sternbild Luchs einen Besuch ab. Zusammen mit der Bärentatzengalaxie NGC 2537 bildet sie mit schwacher Vergrößerung ein hübsches Paar, welches ich damals mit 10" im Verlaufe meines "Mehrfachobjekte-Projektes" besucht hatte.
Aber auch mit 16" und unter guten Bedingungen ist diese Galaxie kein wirklich auffälliges Objekt und mit Aufsuchvergrößerung schwenkt man schnell über den zarten Schimmer hinweg. Bei 200x angelangt lässt sich ein leicht hellerer Zentralbereich (Bulge) erkennen. Kurz vor dem diffusem Nordende der Spindel steht ein ca. 12mag Stern im Nebel, das Achsverhältnis schätze ich zu etwa 7:1.


Etwas einfacher ist da schon die Sichtung von NGC 3501 (Daten), mitten im Sternbild Löwe gelegen. Der Bulge ist im Vergleich zu IC 2233 etwas heller und mittig lässt sich ein schwacher sternförmiger Kern ausmachen. Die Enden der Spindel laufen diffus aus, das Achsverhältnis würde ich auf etwa 9:1 schätzen. Immer wieder kommt es mir so vor, als wäre die nordwestliche Flanke (durch ein vermutetes Staubband) schärfer als die gegenüber liegende Seite begrenzt?


Jetzt wird's interessant! Denn NGC 4173 (Com, Daten) ist Teil einer dicht stehenden Vierergruppe, die als "The Box" bekannt ist. Alle vier Galaxien sind problemlos zu erkennen, "die superdünne" ist das schwächste Mitglied. Mehr als ein etwa 7:1 elongierter Lichtstreifen mit leicht hellerem Zentralbereich ist allerdings nicht zu erkennen. Aufgrund der schönen Konstellation aber dennoch ein wirklich hübscher Anblick!
 

Wow, NGC 4244 (CVn, Daten) ist im Vergleich zu dem kleinen Gefussel zuvor sehr hell und vor allem einfach nur riesig! Die Ausdehnung bei 200x Vergrößerung würde ich zu etwa 12 Bogenminuten schätzen, das Achsverhältnis auf 8:1. Der Bulge ist sehr hell und gipfelt in einer zentralen Aufhellung, die eindeutig flächig erscheint. Die kontinuierliche Helligkeitsabnahme nach außen wird in Richtung Nordosten durch eine kontrastschwache Dunkelzone auf 1/3 der Strecke vom Kern unterbrochen, in gegenüberliegender Richtung befindet sich eine leichte Aufhellung. Zwischen dem Kern und dieser südwestlichen Aufhellung stößt eine Dunkelzone von Südosten in den Nebel, ein weiterer Dunkelbereich deutet sich vage direkt auf Höhe des Kerns an. Weitere Strukturen konnten nur vermutet werden, der Kernbereich der Nebelfläche wirkt insgesamt sehr unruhig. An beiden Enden der Galaxie befinden sich zwei Knoten, die immer wieder schwach aber eindeutig erkannt werden konnten.


Auch wenn NGC 4244 schon sehr beeindruckend war, so bildet die wieder vergleichsweise kleine NGC 5529 (Daten) im Bootes für mich den krönenden Abschluss der ersten Superthin-Nacht: Im Raum schwebt eine Miniaturausgabe von NGC 4565, inklusive feinem aber ganz eindeutigem Staubband - ein wirklich wunderschöner Anblick! Der relativ helle Bulge wird in zwei Hälften geteilt, wobei die nördliche Hälfte etwas schwächer ist, als das südliche Gegenstück. Das Staubband lässt sich nur durch diesen hellen Zentralbereich verfolgen und im Bulge sitzt kein herausstechender Kern. Das Achsverhältnis müsste etwa 10:1 betragen. Genau so habe ich mir eine Superdünne vorgestellt, so darf es in etwa 20 Stunden gerne weiter gehen...


... und die Chancen dafür stehen in dieser zweiten Galaxiennacht nicht schlecht, denn die äußeren Bedingungen lassen wieder keine Wünsche offen :-) 

Gleich das erste Zielgebiet ist ausgesprochen spannend: Auf der Grenze der Sternbilder Coma und Virgo befindet sich die relativ lichtschwache NGC 4222 (Daten). Viel ist nicht zu erkennen, nur eine leicht hellere Mitte hebt sich in der ca. 6:1 gestreckten Spindel dezent hervor. Der eigentliche Star (wenn auch keine Superthin im engeren Sinne) ist definitiv NGC 4216: Eine helle Sterneninsel mit ausgeprägtem Kernbereich und breitem und einfach sichtbaren Staubband - eigentlich viel zu schade dafür, an den Rand des Gesichtsfeldes verbannt zu werden :-( Über dem nördlichen Ende des visuell wahrnehmbaren Staubbandes sitzt eine kleine aber recht auffällige Aufhellung, ebenso markiert eine ganz leichte Aufhellung die nördliche Grenze der Spindel. Als dritte Galaxie im Gesichtsfeld lässt sich PGC 39247 als schwache Fläche um einen sternförmigen Kern erkennen.


NGC 2820 (UMa, Daten) erscheint mir ungewöhnlich asymmetrisch: zwischen der gedachten Mitte der 6:1 Spindel und dem diffusen Ostende sitzt eine stellare Aufhellung, der hellste Galaxienteil schließt noch weiter östlich an! Nach Westen läuft die Galaxie spitz aus. Vermutlich ist der eigentliche östliche Ausläufer nicht sichtbar und bewirkt so das ungewöhnliche Erscheinungsbild. Etwa 1' westlich der Superthin findet sich relativ schwach aber eindeutig der kleine Begleiter IC 2458. Viel kleiner als NGC 2820 aber etwas heller steht nördlich eines ca. 10-11mag Vordergrundsterns die kleine Spindel NGC 2814.
  

NGC 4157 (UMa, Daten) hatte ich vor Jahren mit 10" im Rahmen des "Mehrfachobjekte-Projektes" das erste Mal besucht. Mit mehr Öffnung und wesentlich mehr Vergrößerung wird diese Galaxie zu einem hellen und wirklich ästhetischen Geheimtipp! Nördlich des hellen Zentrums begrenzt eine kontraststarke Staubkante die Galaxie - in den Außenbereichen ist diese Kante nicht mehr zu sehen. Ein dezenter stellarer Kern scheint nicht exakt mittig, sondern leicht nacht Osten versetzt in der zentralen Aufhellung zu sitzen, welche zur Staubkante am hellsten wirkt. Etwas weiter östlich aber noch nah am Kern ist eindeutig ein abgesetzter Knoten zu erkennen. Das Achsverhältnis der Galaxie schätze ich zu ca. 8:1.
 

Wie schon geschrieben war NGC 5023 (CVn, Daten) der Auslöser dieser Galaxientour. Eine recht blasse Spindel (8:1) mit leicht hellerem Bulge schwebt geisterhaft im Raum, kann aber in meinen Augen einer NGC 5529 oder NGC 4157 nicht mehr den Rang ablaufen. Ab und an scheinen feine Strukturen und ein extrem schwaches Sternchen oder der stellare Kern aus dem Nebel heraus zu blitzen, die "Sichtung" ist aber sehr unsicher.


UGC 7321 (Com, Daten) ist definitiv ein extremes Objekt: Eine ziemlich lichtschwache Nadel schwebt im Raum. Sobald man sie sicher fassen kann, zeigt sie ein beeindruckendes Achsverhältnis von geschätzten 12:1! Der Kernbereich scheint mir leicht heller als die Außenbereiche zu sein.

Und auch die zweite Nacht lasse ich mit einem Highlight ausklingen - meine Güte, was für ein Klopper ist das denn?!
NGC 5907 (Daten) im Drachen ist wirklich groß, grell und neben NGC 4565 sicher eine der Paradespindeln! Neben dem ausgeprägten Bulge mit kleinem aber flächigem Kern fällt sofort das wirklich sehr einfache Staubband auf - ein wunderschönes Objekt! Hinter (also westlich) dem Staubband wieder viel Galaxie...
Auch die Außenbereiche sind auffällig hell und gut vom Hintergrund abgegrenzt. Kurz vor dem spitz zulaufenden südlichen Ende fällt eine sehr deutliche Aufhellung auf. Das nördliche Ende verliert sich sehr diffus und breit im Raum, auch hier kurz vorher eine dezente Aufhellung im Galaxienkörper. Drei weitere Knoten gruppieren sich mehr oder weniger auffällig entlang der langen Achse um den Kern - jetzt wünsche ich mir nochmals deutlich mehr Öffnung, um die Galaxie in weitere Knoten zerfallen zu lassen! Mit etwa 7:1 fällt das Achsverhältnis für eine Superdünne eher moderat aus, was aber bei diesem Anblick nicht weiter schlimm ist :-)

So Enden zwei Nächte, wie sie eindrücklicher kaum sein konnten und für mich steht fest: Nächstes Frühjahr gehe ich wieder auf die Jagd nach den Superdünnen...