Ein Lobgesang auf:
*mehr Öffnung!*
Forenbeitrag auf Astrotreff
Hallo Forum,
2003, nach 10 Jahren mit meiner „10“erin“ war ich an einem Punkt
angelangt, an dem irgendwie die Luft raus war und der Spass an dieser Beziehung
immer mehr der Routine wich. Mir wurde bewusst, dass es so nicht weiter gehen
konnte!
Über zwei Jahre später war es nach nicht enden wollender Kratzerei endlich
soweit, ab nun durfte ich einen hübsch heraus geputzten 16“er(...in, denn ich
bin ein verknallter Hetero ;-)) mein eigen nennen!
Weitere Details zum Teleskop und zu meiner Plautze erspare ich euch an dieser
Stelle, zum Teleskop werde ich in den nächsten Monaten im ATM-Board ein paar Sätze
schreiben.
Nach einem enttäuschenden First-Light (Vollmond und mieses seeing-da ging nicht
viel) mit der frisch belegten Optik vor ein paar Nächten war laut
Wettervorhersage diese Nacht der verdiente Lohn für die scheinbar unendlich
vielen Stunden am Projekt „mehr Öffnung“ fällig. Tatsächlich riss pünktlich
zur Dunkelheit die fiese Wolkendecke auf und der schön transparente Himmel lies
mich das anstrengende Wochenende sofort vergessen. Nach wenigen Minuten Fahrt am
Platz angekommen war es immer noch klar, die Grenzgrösse schätzte ich grob zu
6,3mag, eher besser. Das Aufbauen ging diesmal, mit ein wenig mehr Übung, schon
viel leichter von der Hand. Man muss sich tatsächlich erst mal an die neuen
Handgriffe gewöhnen aber nach 10min stand das Moped in voller Pracht und gut
justiert auf´m Acker.
Leider war nun auch die Wolkenbank angekommen, die sich erst kurz zuvor noch am
Westhorizont klein machte. Zum Glück blieben aber ausreichend grosse Lücken
und so war mal wieder Wolkenlückenhopping angesagt und es kamen nur die leicht
zu findenden Standartobjekte in Frage. Was soll ich schreiben, das war das schönste
Wolkenhopping, das ich wohl jemals durchgezogen habe!
Gleich der erste Anblick, M 13, war ein echter Knaller. So extrem hell
und aufgelöst hatte ich ihn nur vom 24“ Cassegrain meiner ehemaligen
Stammsternwarte in Melle in Erinnerung! Der Eindruck muss wohl am
Adrenalinspiegel gelegen haben, denn das war ein wirklich ergreifender Moment für
mich (aber Tränen flossen nicht ;-))! Schööön, unzählige Sterne
beleuchteten mir das Gehirn von innen... doch M 13 wurde dunkler, eine dünne
Wolke schob sich vor die Szenerie. Ach ja, stimmt, so sah es „damals“ im
10“er aus... Nun schnell zu M 57, denn der stand noch frei. Auch
ungewohnt knallig aber viel Zeit für Detailbeobachtungen blieb mir nicht, denn
ich war in erster Linie auf den Zentralstern aus... und es blitzte tatsächlich
2-3 Male etwas im inneren, fahlen Nebelglimmen des Rauchrings auf! Muss ich aber
irgendwann noch mal in Ruhe probieren, denn gerade wurde Jupiter frei. Oje, die
grosse Öffnung und der tiefe Stand des Planeten vertrugen sich nicht so
besonders... schnell weiter zu M 51. Mir zog es die Schuhe aus! Erst vor
wenigen Wochen habe ich mich mit Details im 10“er abgekämpft und jetzt
knallten die Spiralarme im tollen Kontrast phantastisch einfach und deutlich
strukturiert! Zwischen den Armen ist's richtig dunkel, so beeindruckend hätte
ich das Plus an Auflösung wirklich nicht erwartet. Wäre ein
„Nicht-Sternegucker“ vorbei gekommen, dann wären auch ihm diese Strukturen
leicht aufgefallen. Toll!
Was nu? Der Katzenaugennebel NGC 6543 wäre jetzt eigentlich genau das richtige
nach diesem Schock. Doch bevor ich ihn finde: Wolken... ist ok, dann nutze ich
die verbliebenen Lücken zum Sterntest, muss ja auch sein. Ausser dem leichten
Asti, der mir in der Vollmond Nacht auch schon aufgefallen war scheinen die
Beugungsbilder beidseitig des Fokus praktisch identisch, der Fangspiegelschatten
scheint auch gleich schnell zu kommen. Sieht gut aus, bis eben auf den
Astigmatismus. Das kann ich nicht auf mir sitzen lassen und so drehe ich den
Spiegel mehrmals in seiner Fassung und stelle enttäuscht fest, das sich der
Asti nicht mitdreht-Spiegelasti! Ich will's irgendwie nicht glauben, immerhin
habe ich penibel (so bin ich nun mal) beim Schliff darauf geachtet, dass sich
sowas bei mir nicht einschleicht. Nun bin ich doch enttäuscht, rede mir
aber ein, dass das ja wohl nicht so schlimm sein wird. Wieder Wolken, die Lücken
werden Mangelware. Trotzdem warte ich noch, denn das könnte sich ja auch
schnell wieder ändern. Immerhin wollte ich unbedingt noch den Cirrus Nebel
wirken lassen. Plötzlich kommt mir ein Gedanke: der Asti im Bild dreht sich NICHT
mit!!! Wie konnte ich das durcheinander werfen? Mein inneres Lachen schallt mir
vom Waldrand entgegen ;-) Wenn sich der Asti nicht mitdreht, dann ist er eben
auch nicht auf der Optik! WIE DOOF! Puh, fast hätte mir das den tollen Abend
versalzen, jetzt bin ich nur noch erleichtert. Gut gelaunt baue ich ab, denn es
sieht so langsam bedenklich nach Regen aus. Ist ja auch ok, weitere Nächte
werden folgen und bis dahin kann ich es auch noch aushalten. Zuhause angekommen
geht's sofort an den PC, die Eindrücke der letzten Stunden nieder schreiben.
Ich hoffe beim tippen, dass der Leser gefallen an meinem Erlebnis findet und
wenn nicht kann ich es auch verstehen, denn so was muss man einfach Live erlebt
haben...
Und so geht die doch all zu kurze Astrosafari vom 21. Zum 22. Mai 2006 zu ende,
schaaade :-/ ... hmmm... ach, eigentlich ist's ja erst der Anfang vom Ganzen.
___
Die nächste Nacht...
Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, so langsam mit ein wenig gezielteren
Beobachtungen anzufangen. Doch wie das so ist, man bleibt doch wieder bei den
Highlights hängen. Also wurde wieder M 13 beackert. Das seeing war
wirklich gut und so konnte die Vergrösserung von 200x über 420x auf sogar 525x
gewinnbringend gesteigert werden. Die Grenzgrösse schätzte ich zu etwa 6,3mag,
im Osten eher besser. Mit meinem "Andreas, komm mal-GUCKEN!" Generve
hielt ich den Armen immer wieder von seinem Programm ab. Aber dank seiner Nachführplattform
(sowas MUSS ich auch haben) war's dann wohl doch kein so grosses Problem für
ihn. Dafür entschädigte der Anblick durch's Okular für die Unruhe, die ich
verbreitete. Ein Sternenmeer, soweit das Auge den Gesichtsfeldrand abfahren
konnte, einfach nur beeindruckend schön. Die Sterne bildeten auffällige Ketten
und zum ersten Mal vielen mir deutliche Dunkelbereiche auf, in denen die
Sterndichte deutlich vom Normalzustand abwich. Besonders erstaunt war ich über
ein kompaktes Loch im Zentrum des KSH, unmittelbar neben dem gedachten
Mittelpunkt also im tiefsten Gewimmel! Einfach ein Loch! Ist das das dunkle
"Y", von dem ich gehört hatte? Ich habe im Netz gesucht und diese Aufnahme
gibt den visuellen Eindruck mit 420x ganz gut wieder.
Ein kurzer Blick zur Nachbar Galaxie von M 13, NGC 6207: mit 420x Vergrösserung
sieht sie gar nicht mehr so klein und unscheinbar aus, wie ich sie mit 10"
in Erinnerung hatte :-) Der gut begrenzte, elliptische Galaxienkörper erschien
schon leicht strukturiert, ein auffälliger Stern steht unmittelbar neben dem
Mittelpunkt in der Galaxie. Auch dieses Objekt muss ich mir irgendwann noch mal
in Ruhe anschauen, denn Ruhe war das einzige, was wir in dieser kurzen Nacht
leider nicht so richtig hatten. Dafür wollten wir einfach zu viel... Gier nach
meeehr machte sich breit. Also schnell weiter zu M 57: "Andreas,
..." ;-) Irgendwie vergass ich, selber zu schauen, denn schon war NGC
4565 eingestellt. Obwohl sie schon bedenklich nahe über den westlichen
Lichtglocken der Zivilisation stand, bot sich uns dennoch ein schöner Anblick:
ich glaube, bei 300x zog sich diese faszinierend dünne Spindel quer durch's
Gesichtsfeld, das Dunkelband, welches den Kernbereich in zwei ungleiche Hälften
teilt, war überdeutlich. Nur der aufgehellte Himmelshintergrund trübte ein
wenig die Freude. M51 hatte ich ja schon oben beschrieben. "Andreas,
..." M 56, schnell gefunden (so langsam komme ich zurecht) war zwar
wesentlich lichtschwächer als M 13 aber trotzdem absolut einfach und bis ins mässig
konzentrierte Zentrum aufgelöst. Ahhh, Sterndusche. So langsam entdecke ich die
Kugelsternhaufen wieder für mich. Mit kleinerer Öffnung mag der ein oder
andere zwar recht schnell langweilig werden, mit 16" fesselt mich der ästhetische
Anblick so vieler Sterne ans Okular. Na, dann muss M 92 als nächstes herhalten.
Im nächsten Augenblick habe ich diesen Vorsatz schon wieder vergessen und ich
krame in meiner Beobachtungsmappe herum um doch mal was Neues zu probieren. Da
die Coma schon Richtung Westen abwandert, entscheide ich mich, schnell mal den
exotischen Mini-PN H 4-1 (PK 049+88.1) zu probieren. Der ist zwar nur
2,7" klein, dafür aber mit einer hohen Flächenhelligkeit gesegnet. Beim
Starhopping zur Stelle stolpere ich ständig über kleine Galaxiengrüppchen-ganz
schön was los, in der Gegend! Aber selbst nach viel probiererei mit
verschiedenen Vergrösserungen und Filter kann ich den "Stern" nicht
identifizieren. Irgendwie komme ich noch nicht mit der Geschwindigkeit klar, mit
der sich bei sehr hoher Vergrösserung der Himmel über meinem Teleskop wegdreht
und so reift in mir endgültig der Entschluss, dass ich eine Nachführplattform
für mein Moped basteln muss. Irgendwann gebe ich auf, denn die Milchstrasse im
Schwan schreit geradezu danach, mir dieses Drama nicht weiter anzutun... ein
Auto fährt in unseren Feldweg, das Abblendlicht geht aus. Das kann ja nur
Dittmar sein! Ich dachte schon, dass er meine Mail nicht bekommen hatte. Im
Kofferraum sein ebenfalls neuer und knackscharfer 18" Spiegel, der nun auch
mal unter richtig guten Bedingungen herum geschubst werden will. Nun rücken wir
drei also mit insgesamt 42" dem Himmel zu Leibe...schööön!
Den Rückschlag von eben will ich so nicht hinnehmen und deswegen geht's nun dem
nächsten Mini-PN Sp 4-1 (PK 068+14.1) in der Leier an den Kragen. Nach
wenigen Minuten bin ich an der richtigen Stelle und schon mit 100x kann ich den
nur 2" kleinen PN eindeutig als Sternchen neben einem helleren Stern sehen.
Selbst mit 525x bleibt der PN absolut sternförmig, seine wahre Natur lässt
sich jedoch dennoch eindeutig wegen seinem verräterischen Hang zum
[OIII]-Leuchten erkennen.
Waaahnsinn, dieser Strukturreichtum! ;-))
Schnell weiter zum Cirrus, jetzt will ich's wissen. DEN Anblick kann man
einfach nicht angemessen in Worte fassen! In meinen Augen ist dies' das schönste
Objekt des gesamten Nordhimmels. Obwohl er noch recht tief steht kann ich mich
an seinen zahlreichen Filamenten einfach nicht satt sehen. Auch Andreas scheint
beeindruckt. Selbst Pickering's Triangular Wisp, der Zentralteil, ist wunderbar
einfach und zerfasert. Beim herumschwenken fallen immer wieder abgesetzte
Nebelfetzen auf. Wenn ich jemals in die Alpen mit dem 16er kommen sollte, dann
sind jetzt schon mindestens zwei Stunden für dieses Kracherobjekt reserviert!
Im Nordosten kündigt sich so langsam die Morgendämmerung an und so hetze ich
zum Crescentnebel NGC 6888: ist zwar wesentlich kleiner als der Cirrus
aber auch der Crescent überrascht mit einer Unmenge an sichtbaren Strukturen.
Das helle "C", der Hauptbogen, schliesst sich mit [OIII] Filter zu
einem Ei, welches fein mit Materie aufgefüllt zu sein scheint. In diesem
inneren Glow steht unübersehbar ein heller Knoten, der Hauptbogen selber ist
deutlich zerfasert und unregelmässig zerklüftet. Man, irgendwann werde ich das
Teil mal zeichnen...
Solange es noch dunkel genug ist ziehen wir drei uns zusammen noch M 27
(ohne Filter schon toll, mit [OIII] viele Strukturen], NGC 6210, NGC
6543, M 71, M 11 und M 26 rein. Ich bin hin und weg,
die Morgendämmerung zwingt uns jedoch zum abbauen und so geht die nächste
Nacht mit 16" zu Ende, schaaade ;-)
Bitte seht mir meine teilweise doch sehr schmalzbeladenen Sätze nach, das
musste ich mir jetzt einfach mal nach der „Geduldsprobe Selbstbau“ von der
Seele schreiben. Ich wünsche jedem Leser ähnliche *Sternstunden* in seiner
Astrokarriere, denn alleine schon dafür lohnt sich das warten auf das nächste
Wolkenloch.